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  • Maike

WENN ES BLUBBERT WIRD´S WEIN

Aktualisiert: 28. Okt. 2022

Weinherstellung im Kleingarten


Am 2.10.2021 fand in unserem Vereinsheim der Workshop „Weinherstellung im eigenen Garten“ mit Darius statt. Leider konnte ich an dem Workshop, den Darius mit seiner Mutter Regina leitete, nicht teilnehmen. Deshalb bat ich um ein Interview zu dem Thema.

„Magst du zu uns in den Weinkeller kommen?“ war die Antwort darauf, und das klang schon mal gut. Ich fand mich also zur verabredeten Zeit in einem unauffälligen Wohnhaus irgendwo in Hannovers Westen ein. Die Kellertür stand offen, und ich folgte leise vernehmbaren Stimmen durch die Kellergänge.

Dann – welche Überraschung: Eine heimelig gestaltete Kellerbar mit Tresen, Barhockern, Regalen voller Wein und Likör (alles natürlich selbstgemacht), einem großen Spiegel, dekoriert mit knorrigen Weinranken und einem einladenden Sessel unter einem stilvollen Kronleuchter. Das alles auf vielleicht 8qm. Wow! Hier erwarteten mich Regina und Darius, und nachdem ich mit einem Glas Wein der Marke „Gustl“ (fruchtig mit leichter Holznote) versorgt war, stellte ich meine Fragen:


Maike: Wann habt ihr angefangen, Wein zu keltern – so sagt man doch?


Darius: Ja, so sagt man.


Regina: Mit Weintrauben 2018. 2017 haben wir aber schon Fruchtwein gemacht, aus Johannisbeeren, Himbeeren, Hagebutten. Der Ursprung war aber mein Besuch in Schlesien – zum ersten Mal nach 20 Jahren. Ich war bei meiner Tante, und sie bot mir hausgemachten Hagebuttenwein an. Der schmeckte mir und so war mein Interesse geweckt. Also zeigte mir die Tante ihren Keller, und da blubberts, da blubberts! - Mein Entschluss war gefasst: Tante, ich will das auch. Gleich am nächsten Tag habe ich alle Utensilien gekauft – die Leidenschaft war übergesprungen.

Und dieses gemeinsame Interesse verbindet mich auch mit Darius, dass wir das zusammen machen. Also Darius macht das wissenschaftlicher, er zeichnet alles auf, vergibt Bewertungen. Zeig doch mal das Buch. Darius zieht eine dicke DinA4 Kladde hervor.


D.: Ich mache zu allen Weinen Aufzeichnungen, z.B. wie sich der Wein über die Zeit verändert, das ist ein richtiges Erlebnis. Und ich messe z.B. mit dem Refraktometer die Mostdichte, da sehe ich wie hoch der Zuckergehalt des Weines ist und kann dadurch den Alkoholgehalt berechnen.


R.: Früher haben wir Zucker nach dem vorgegebenen Rezept der Tante zugegeben – später nach unserem Geschmack und jetzt wird genauer vorgegangen was halt benötigt wird, um ein gewünschtes Ergebnis zu erreichen, wie z.B. ob ein Wein in Richtung Dessertwein oder trockenem Wein ausgebaut werden soll.


M.: Wein aus hannoverschen Trauben – wird der nicht sehr sauer?


D.: Du meinst sicherlich, ob auf unserem Breitengrad überhaupt Trauben die notwendige Süße bzw. Mostdichte erreichen können. Das kann ich nur bejahen. Dieses Jahr habe ich einen Wert von 89° Oechsle mit roten Trauben erreicht.

Und es kommt natürlich immer wieder vor, dass die Mostdichte zu niedrig ausfällt. In solchen Fällen geben wir dann Fruchtzucker zu. Wir sind keine Profis, sondern Hobbywinzer, als solche dürfen wir das. So stellen wir einen bodenständigen Tafelwein her. Wir verwenden für unsere Weine Tafeltrauben und Keltertrauben. Ab 80° Oechsle kämen wir praktisch ohne Zucker aus.


R.: Beim Geschmack ist immer die Ausgewogenheit zwischen Süße, Säure, Tanninen und typischen Geschmacksnoten wichtig.


M.: Das ist ja eigentlich bei allem so. - Wie viele Trauben braucht man denn, damit sich die Arbeit lohnt? Darius zeigt eine große bauchige Flasche.

D.: Das hier ist eine 5l Gärflasche, dafür werden ungefähr 4kg Früchte benötigt. Die Flasche darf nicht vollgemacht werden, es muss Platz bleiben für den Gärvorgang. Übrig bleiben zum Schluss ca. 3 L Wein.


M.: Was ist generell zu beachten beim Keltern?


R.: Hygiene, Hygiene, Hygiene. Die komplette Ausstattung muss penibel sauber und möglichst keimfrei gehalten werden. Teils erreichen wir das mit Schwefel, teils mit heißem Wasser. Auch auf die richtige Temperatur gilt es zu achten. Das ist besonders wichtig für die Reinzuchthefe, welche sich zw. 19° - 23°C wohl fühlt und den Zucker in Alkohol umwandelt. Und es ist wirklich Handarbeit, von der Weinlese, dem Entrappen (also dem Trennen der Beeren vom Traubengerüst), dem Maischen, dem Abstechen und dem Abfüllen in Flaschen.


D.: Zu guter Letzt ist eine solide Grundausstattung schon die halbe Miete. Natürlich erreicht man mit den traditionellen Gärballons gute Ergebnisse, aber die Reinigung ist aufwendig, inzwischen geht sowas cleverer. Es gibt bereits Startersets mit umfassendem Zubehör, doch die sind für unsere Bedürfnisse nicht gut aufgebaut. Ich arbeite an einem Starterset, das praktischer ist, modular erweitert werden kann und speziell auf die Bedürfnisse von Kleingärtner*innen abgestimmt ist. Hiermit können alle Fruchtweine einfach hergestellt werden und das Jahr für Jahr. Mehr dazu gibt es auf kleingartenwein.de, sowohl weiterführende Tipps als auch die Anmeldung zu den Workshops: Weinherstellung im eigenen Garten.


M.: Könnt ihr von besonderen Highlights oder auch Misserfolgen berichten?


D.: Ein Highlight ist für mich der Ausbau dieses Weines (wir trinken vom „Gustl“) mit der Holznote, erreicht durch das Aromatisieren mit Eichenholzchips. Das war ein reines Experiment, wie so vieles was wir machen - und das Ergebnis ist überraschend gut. Jedes Jahr ist eine Überraschung. Z.B. „Marion“ - der Wein bekommt immer den Namen derjenigen, von denen die Trauben stammen - „Marion“ wird von Dritten als ein Wein beschrieben, der dem Charakter eines Sherrys sehr nahekommt.

R.: Eine Niederlage? Stachelbeerwein! Der war vom Geschmack her ungenießbar. Jeder Wein hat seine Note, aber der Stachelbeerwein … Regina fehlen die Worte, aber Tonfall und Gesichtsausdruck sagen alles.


D.: Ein weiteres Highlight aus meiner Sicht ist es, dass es mich mit Stolz und Zufriedenheit erfüllt etwas geschaffen zu haben. Weinkauf war einmal. Beim eigenen Wein weiß ich genau was drin ist und woher die Trauben kommen. Ungespritzte Pflanzen und naturbelassene Weine ohne Verwendung von Schönungsmitteln, das ist uns sehr wichtig.


R.: Das ist Gesundheit pur, also wenn man nicht zu viel trinkt.


D.: Ich würde sagen, wir trinken jetzt sogar weniger als früher vom gekauften Wein. Denn der wird einfach konsumiert. Durch das selber machen, haben wir einen anderen Bezug, es ist dann halt etwas Besonderes und es ist auch schön seinen Gästen etwas sehr individuelles und exklusives anzubieten.

Für Freude sorgt Jahr für Jahr auch die Wertschätzung der Leute, die eine Flasche Wein aus den eigenen uns zur Verfügung gestellten Trauben als Dankeschön zurückbekommen. Statt den Wein zu trinken, stellen sie die Flasche mit ihrem Namen lieber ins Regal!


M.: Welche Früchte eignen sich denn noch zur Weinherstellung?


R.: Man kann aus jeder Frucht Wein machen, häufig muss man Säure zugeben.


M.: Aha, wie beim Saft- oder Marmeladekochen.


R.: Und es gibt viele Rezepte mit Wein. Ich mache z.B. Petersilienwein, das ist ein richtiger Heilwein. Der Wein wird mit Petersilie versetzt, nicht aus Petersilie gemacht.


M.: Das wäre doch auch mal was für unsere Homepage, für die Rubrik...



M.: Darius, wie bist du darauf gekommen, deine Erfahrung in einem Workshop weiterzugeben?


D.: Ersten: Wir haben festgestellt, dass bei vielen im Garten Wein wächst, die Leute auch gern Wein genießen, jedoch die Trauben den Vögeln überlassen werden. Es geht auch anders!


Und zweitens: Es ist wie mit dem Wein keltern in Hannover: einfach machen, weil es kein anderer bisher angeboten hat. Mittlerweile ist Wein machen unser Hobby geworden und ich bin überzeugt, dass die Begeisterung für das Keltern & vor allem das Verkosten ansteckend sind.

Es ist nicht viel notwendig, um aus der eigenen Kleingartenernte Wein zu keltern. Neben Früchten wie Weintrauben und/oder anderen Beeren braucht man nur eine ordentliche Grundausstattung, die Jahr für Jahr wiederverwendet werden kann. Vielen ist genau das nicht bewusst. Daher haben wir uns entschieden Kleingärtner*innen an das Thema ranzuführen und unter unserer Anleitung die ersten Schritte gemeinsam zu tätigen. Jeder Teilnehmer bekommt halt genau das Fachwissen vermitteln was er braucht und spart sich so viel Einarbeitungszeit.

M.: Wie lange im voraus hast du den Workshop geplant und wie hast du dich vorbereitet?


D.: Den Workshop angemeldet haben wir fast ein Jahr vorher als der alljährliche Veranstaltungskalender des Universum Kleingartens geplant wurde. Zum Thema Vorbereitung ist das so eine Sache zwischen Theorie und Praxis insbesondere wenn der Protagonist Weintrauben heißt. Denn vor dem Hintergrund des Regensommers haben wir echt gezittert, ob wir rechtzeitig die benötigte Mostdichte erreichen. Das war der entscheidende Faktor. Damit steht und fällt die gesamte Veranstaltung. Es hat geklappt. Den theoretischen Teil haben wir zusammen bei dem ein oder anderen Gläschen Wein ausgearbeitet.

Am Veranstaltungstag haben wir alles aufgebaut und dem Ablauf, der eine Kombination aus Theorie und Praxis ist den letzten Schliff verpasst. Am Ende hat der dreistündige Workshop etwas länger gedauert als geplant.


M.: Wird es dieses Angebot nächstes Jahr wieder geben?

D.: Ja, angedacht sind sogar mehrere Termine. Mich würde es zusätzlich reizen zu zeigen wie Apfelwein und Perlwein hergestellt werden.


M.: Hast du einen Tipp für Gartenfreund*innen, die ihre speziellen Fertigkeiten ebenfalls weitergeben möchten?


D.: Jeder Gartenfreund, der sich aktiv einbringen will, kann sich unter diesem Link zum Universum Kleingarten informieren und mit seinem Wissen das Kleingartenwesen bereichern, schließlich lebt die Gemeinschaft davon.


M.: Welches Workshop-Thema könnte euch als Teilnehmer reizen?


R.: Wildkräuter – das interessiert mich, z.B. kann man Giersch gut essen.


M.: Davon habe ich mehr als ich essen könnte, aber er schmeckt mir nicht wirklich.


R.: Du mußt die ganz jungen Triebe nehmen, die sich noch nicht richtig entfaltet haben.


D.: Mich interessieren: Tomaten, Paprika, Pilze.


M.: Ich danke euch für das Gespräch, den leckeren Wein, den Gierschtipp und das Abschiedsgeschenk (Schlehenlikör – köstlich)!


Das Interview führte Pressewartin Maike Gollenstede, die Fotos fügte Darius hinzu.

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